Mein Führerschein von Gabi

Im Juni 2002 war es: das Drängen meines mit Benzin im Blut geborenen BVG-Gegners und Freundes hatte Erfolg, und ich sagte zu, mich bei einer Fahrschule anmelden zu lassen. Dass ich gerade über 1.000 € verfügen konnte, war dem Entschluss nicht abträglich. Gesagt, getan: statt einen Teil des Geldes zu H&M zu tragen, ließ ich mich zu einer größeren Fahrschule fahren und meldete mich für den PKW-Führerschein an. Anschließend – in Vorbereitung auf die „schwere Zeit“ – musste erst einmal Urlaub gemacht werden.

Dann ging es los, zunächst mit den Theorie-Einheiten. Während der Unterrichtsstunden habe ich mir die Fahrlehrer genauestens angesehen. Ich wählte Bruno, der mir durch Engagement und auch Leidenschaft auffiel. Es sollte sich zeigen, dass dies eine goldrichtige Entscheidung war. Mitte August 2002 dann fuhr Bruno das Auto (einen kleinen blauen Golf) in die Edinburgher Straße, um mir dort als erstes die wichtigsten Dinge zu erläutern. Sehr beeindruckt war ich vom „toten Winkel“.

Guuuuut!

Anschließend saß ich hinter dem Lenkrad und siehe da, Motor anlassen, Kupplung kommen lassen, und das Auto fuhr!!! Schritt für Schritt ging es weiter, Stunde um Stunde ebenfalls. Dazwischen immer wieder Rückschläge, die bewältigt werden wollten. Auch das hat mit Brunos Hilfe geklappt.

Wie habe ich den Schaltknüppel gequält! Bruno hatte wohl mehr als Herzschmerzen. Und das Bremsen erst…, wie oft ist Bruno „etwas“ in Richtung Frontscheibe gerutscht. Wie schwer war es, sich an die Geschwindigkeit zu gewöhnen! 30 km/h sind so schnell und erst 50! Und dann auf die Autobahn mit noch höherem Tempo !

Im November dachte ich mir, volles Risiko; geh zur Theorieprüfung. Mit einem Punkt zuviel bin ich sauber durchgerauscht. Viele Tränen flossen, und ich entschied mich, bis zum Januar eine Pause und noch einen Urlaub einzulegen (zumindest hatte ich jetzt dafür den Kopf frei).

Indessen machte sich Bruno bei unserer Fahrschule aus dem Staub und gründete sein eigenes Geschäft. Ich bekam Gelegenheit, dieses kleine Unternehmen „wachsen“ zu sehen: die kleinen Freuden über ein weiteres Einrichtungsstück oder neu verlegte Kabel oder auch die saubere Farbe an den Wänden, die alles freundlicher erscheinen lässt. All diesen Aufgaben war Bruno ebenfalls gewachsen, neben den Pflichten für seine Fahrschüler. Ich hatte nun die unangenehme Aufgabe, mich von der ersten Fahrschule zu verabschieden, um bei Bruno mein angefangenes „Projekt“ zu beenden.

Währenddessen hat mich mein Freund weiterhin erbarmungslos mit der Theorie gequält; so manche Dinge sind noch heute nicht in meinem Kopf. Was interessiert mich auch die Anzahl der Anhänger eines großen LKW! Dergleichen Lücken zum Trotz konnte ich die Prüfung beim zweiten Anlauf meistern. Nun war der Weg frei für die letzte Hürde. Aber aller guten Dinge sind drei: erst mal musste wieder Urlaub gemacht werden; denn nebenbei möchte ich auch noch das Skilaufen erlernen – manch einer kriegt eben nie genug im Leben!

Kaum aus dem Gebirge zurück, hieß es dann, an zwei Tagen vor- und nachmittags ordentlich üben und für die Prüfung fit machen. Am Donnerstag abend, als wir uns verabschiedeten, nahm Bruno schon das Fahrschulschild ab. Und das war die ganze Zeit in meinem Kopf: was wird aus dem Sicherheitsabstand zur kleinen Fahrschülerin??? Es sind doch so viel böse Autofahrer unterwegs! Nichtsdestotrotz, Freitag früh – ich bin die erste Prüfungskandidatin bei der Dekra an diesem Morgen – es hat funktioniert: Auf Anhieb bestanden – und entlassen ins Autofahrerleben nicht ohne die mahnenden Worte des Prüfers den Seitenabstand betreffend. Danach gab es nur noch Tränen der Erleichterung. Eine riesige Portion Druck fiel von meinen Schultern.

Zwei Jahre hat man den Führerschein auf Probe. Was wäre, wenn ich die Prüfung nicht am 28., sondern am 29. Februar abgelegt hätte? Müsste ich dann bis zum 29. Februar in acht Jahren auf das Ende der Probezeit warten? Wie gut also, dass es der 28. war! Drei Wochen ist die Pappe nun mein, und in dieser Zeit habe ich

• neun Autobahnauffahrten (O-Ton Bruno: und Gas und Gas und Gas!) hinter mich gebracht

• sechsundfünfzig enge Gassen durchfahren (Brunos Griff in das Lenkrad wurden durch sanfte Hinweise meines Beifahrers ersetzt, nicht zu weit nach rechts abzukommen)

• achthundertzweiundachtzig Schaltvorgänge angehäuft (O-Ton Bruno: Gang nicht so’reinwürgen!)

• einhundertunddrei Bremsungen an Ampeln und Einmündungen (O-Ton Bruno: ruckel, ruckel, ruckel) vorgenommen (mein Freund neckt mich gern durch übertriebenes Vorbeugen gegen die Windschutzscheibe),

• fünf Anfahrten am Berg hinbekommen (kein O-Ton Bruno: aber seitdem weiß ich, wozu die Handbremse auch noch gut ist).

• eine Parkhausschnecke abwärts bewältigt.

Ich gewinne von Fahrt zu Fahrt an Sicherheit. Es hat viel Zeit und harte Arbeit gekostet; aber auch wenn H&M jetzt noch etwas warten muss: es hat sich gelohnt. Mit Bruno hatte ich einen Fahrlehrer, der viel Geduld für die nicht ganz einfache Fahrschülerin aufbrachte.

Danke Bruno!
Guuuuut!

Gabi
Die beste aller Fahrschülerinnen